BERLIN taz | Am Mittwoch entging der paschtunische Politiker Mohsin Dawir im Nordwesten Pakistans einem Mordanschlag. Unbekannte eröffneten das Feuer auf das Auto des 39-jährigen ehemaligen Parlamentsabgeordneten in der Region Tappi in Nordwasiristan, als er auf dem Weg zu einem Wahlkampfauftritt war, wie in Postings im Kurznachrichtendienst X berichtet wurde. Der als Kritiker des Militärs bekannte Politiker blieb unverletzt und nahm an der Veranstaltung im Vorfeld der Parlamentswahl am 8. Februar teil.
Der Anschlag beunruhigt viele, besonders angesichts einer abscheulichen Gewalttat am Vortag. Am Dienstag früh wurden in Nordwasiristan sechs junge Barbiere auf einem Feld beim Dorf Moski tot aufgefunden.
Zu der Tat bekannte sich bisher niemand, aber der Verdacht richtet sich auf die pakistanischen Taliban (TTP), die dort einst ihre Hochburg hatten, oder auf den regionalen Ableger des Terrornetzwerkes „Islamischer Staat“ (IS).
Die Tat weckt zudem Erinnerungen an frühere Zeiten, als Friseursalons Anschlagsziele von Extremisten waren. Viele Islamisten betrachten das Rasieren von Bärten als „unislamisch“.
Die getöteten Barbiere waren laut der liberalen pakistanischen Zeitung The Express Tribune alle unter 30 Jahre alt und aus dem Süden des Landes zugezogen. Sie sollen auf dem Basar von Mir Ai Friseurläden betrieben haben. In der Nacht zu Dienstag wurden sie offenbar entführt und dann auf einem Feld regelrecht mit Schüssen exekutiert. Die meisten Opfer waren Familienväter.
Das pakistanische Militär meldete in der Region seinerseits die Tötung von vier mutmaßlichen militanten Islamisten, die es für terroristische Anschläge verantwortlich macht. Bei ihnen sollen auch Waffen und Sprengstoff gefunden worden sein. Zuletzt wurden am 22. Dezember in Wana im angrenzenden Südwasiristan fünf Arbeiter und ein Wächter im Schlaf von Unbekannten erschossen.
Die jüngsten Gewalttaten scheinen einen Trend zu bestätigen, den das Pakistan Institute for Conflict and Security Studies (PICSS) in einem am 1. Januar veröffentlichten Bericht festgestellt hat. Im Jahr 2023 stiegen demnach die Angriffe islamistischer oder separatistischer Extremisten landesweit um 70 Prozent von 380 auf 645 im Vergleich zum Vorjahr an. Die Zahl der Todesopfer erhöhte sich von 539 auf 976, ein Anstieg um 81 Prozent.
Das Institut berichtet von einem Durchschnitt von 54 Angriffen pro Monat (im Vergleich zu 32 im Vorjahr), was den höchsten Stand seit 2015 darstellt. Im Jahr 2019 waren es nur 12 gewesen. Laut dem PICSS wäre die Zahl der Angriffe im Jahr 2023 wahrscheinlich noch höher gewesen, hätte das Militär nicht auch seine Aktivitäten verstärkt. Demnach konnten 612 Verdächtige getötet und 625 festgenommen werden.
Die politisch motivierte Gewalt könnte im Vorfeld der Wahlen am 8. Februar sogar noch weiter zunehmen. Pakistans unabhängige Menschenrechtskommission äußerte erhebliche Zweifel an der Fairness der Wahlen. Die Chance auf freie und faire Wahlen sei aufgrund von Manipulationen im Vorfeld gering, erklärte die Kommission am Montag bei einer Pressekonferenz, insbesondere mit Blick auf die Zurückweisung der Kandidaturen des früheren Premierministers Imran Khan und vieler Politiker seiner Partei PTI, wie die Agentur ap berichtete.